Kommunikation – Ein bunter Strauß an Möglichkeiten
Seit meiner Jugend beschäftigen mich einige Fragen:
Was passiert, wenn wir im Kontakt mit anderen Menschen sind? Wie gehen wir in Kontakt? Wie tauschen wir uns aus? Warum verhält sich ein Mensch im Umgang mit anderen so und ein anderer ganz anders?
Die Antworten darauf sind sehr vielfältig und genau das finde ich so spannend.
Kriegsenkelin
Als Kriegsenkelin bin ich, wie so viele meiner Generation, in einer Familie aufgewachsen, in der es nicht üblich war, über die wirklich wichtigen Themen offen miteinander zu sprechen.
Meine Eltern, geboren 1935 und 1936, hatten nach dem Krieg, in ihrem späteren Leben, ihre traumatischen Erlebnisse nie aufgearbeitet.
Über den Krieg zu sprechen, war in unserer Familie tabu.
Die Verdrängung aller traumatischen Erlebnisse und damit verbundener schmerzhafter überwältigender Gefühle wie Trauer und Angst, schien die einzig mögliche Überlebensstrategie zu sein.
Sicheres Terrain
Das führte dazu, dass auch über vieles andere nicht offen gesprochen wurde. Konflikten ging man aus dem Weg, intensive Gefühle wie Traurigkeit, Angst oder Wut waren eher unerwünscht.
„Gute Miene zum bösen Spiel“ war einer der Lieblingssätze meiner Mutter. Nach außen wurde der Schein gewahrt – auftauchende Probleme „unter den Teppich gekehrt“.
Unsere Art der Kommunikation innerhalb der Familie war daher eher seicht und alltäglich. Wir blieben meistens an der Oberfläche. Auf sicherem Terrain sozusagen. Dafür wurde auch der eine oder andere Kontaktabbruch in Kauf genommen.
Erkenntnisse
Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema „Kriegsenkel“ und durch viele Gespräche mit anderen Betroffenen, weiß ich, dass meine Familie kein Einzelfall ist – im Gegenteil.
Die unverarbeiteten Traumata übertragen sich in die nächsten Generationen. Es liegt nun an uns, diese genauer zu betrachten und in unser Leben zu integrieren.
Mir persönlich hat das sehr geholfen, meine Eltern aus heutiger Sicht besser zu verstehen. Ich mache ihnen keine Vorwürfe und empfinde heute nur noch Liebe für sie. Dafür bin ich sehr dankbar.
Offenheit
Früher hat mir oft die Offenheit und damit verbundene Tiefe in unseren familiären Bindungen gefehlt. Deshalb sind mir schon immer offene und aufrichtige Gespräche im menschlichen Kontakt sehr wichtig.
Auch in meiner therapeutischen Arbeit mit meinen Klienten fällt mir immer wieder auf, wie sehr die Art der Kommunikation innerhalb einer Familie das Leben der/des Einzelnen beeinflusst.
Es geht um Grenzen. Unsere eigenen Grenzen und die der anderen. Wo ziehen wir für uns die Grenze und sagen „stopp“ – bis hierhin und nicht weiter. Wo überschreiten wir selbst die Grenzen unserer Mitmenschen, ohne es vielleicht zu merken. Und vor allem: wie kommunizieren wir an unseren Kontaktgrenzen?
Das ist ein so spannendes und hochinteressantes Thema, dass ich während des Schreibens am liebsten von einem Aspekt zum nächsten hüpfen würde. Die Gedanken einfach sprudeln lassen und alles gleichzeitig in Worten festhalten.
Konflikte
Die meisten Konflikte entstehen durch mangelnde Kommunikation. Es wird zu wenig miteinander geredet, Meinungsverschiedenheiten enden nur in gegenseitigen Vorwürfen oder man verbirgt voreinander, was einen wirklich beschäftigt. Die Angst, den anderen zu verletzen oder selbst verletzt zu werden, indem man zu viel von sich offenbart, steckt oft dahinter.
Mir persönlich ist eine gute Streitkultur sehr wichtig. Sich aneinander verbal zu reiben bedeutet: ich bin in der Lage, mich mit meinem Gegenüber auseinanderzusetzen. Das wiederum bedeutet nicht, laut zu werden oder sich gegenseitig ins Wort zu fallen.
Nein – sich gut zu streiten beinhaltet: ich höre dem anderen zu, nehme ihn ernst und versuche ihn zu verstehen. Im Gegenzug werde ich gehört, ernst genommen und vielleicht verstanden.
Lebendige Kommunikation
Kommunikation kann sehr lebendig sein, da sie auf vielen Ebenen stattfindet:
Da sind natürlich in erster Linie die Worte, unsere Sprache. Durch unsere Stimme – dieses wunderbare Instrument – verleihen wir diesen Worten Ausdruck.
Unsere Mimik und Gestik sagt viel über unsere Gefühle aus: Zeige ich diese offen, indem ich meinen Gesichtsausdruck entsprechend verändere oder verberge ich sie, indem ich eine innere Maske aufsetze. Halte ich den Augenkontakt zu meinem Gesprächspartner oder vermeide ich ihn sogar… Bin ich meinem Gegenüber zu- oder eher abgewandt. Gestikuliere ich mit Händen und Armen oder bleibe ich eher ruhig und verhalten.
Unsere Körpersprache sendet ebenfalls viele Signale aus. Die Bandbreite der nonverbalen Botschaften ist riesig.
Bereichernde Bewusstheit
Auch wenn das meiste davon unbewusst abläuft, bietet sich uns – während wir in Kontakt mit unseren Mitmenschen sind – ein vielfältiges Erleben auf allen Ebenen, unserem Gegenüber Botschaften zu vermitteln und ebenso zu empfangen.
Das Spannende ist: Wir können uns jederzeit unsere Art der Kommunikation bewusst machen und sind dadurch in der Lage, sie zu verändern.
Während ich selbst spreche und: während ich zuhöre.
Dafür ist es wichtig, sich selbst besser kennenzulernen. Was genau erzeugt meinen Ärger während eines Konfliktes? Was für ein Bedürfnis habe ich jetzt gerade? Was hält mich davon ab, dieses Bedürfnis zu kommunizieren?
Offen und authentisch im Kontakt zu sein, bedeutet Echtheit. Dabei kann viel Empathie und Wertschätzung füreinander entstehen. Damit es erst gar nicht zu einem Konflikt kommt.
Individuelle Gemeinsamkeit
Unsere Art der Kommunikation ist so individuell wie unsere Lebensgeschichten.
Gemeinsam haben wir aber eines:
Wir alle brauchen einen Gesprächspartner, der uns aktiv zuhört, der uns Raum im Gespräch gibt, jemanden, der offen und ehrlich an dem interessiert ist, was wir zu sagen haben.
Wenn wir uns innerlich unserem Gegenüber zuwenden und öffnen, weil wir uns öffnen wollen, entsteht auf der anderen Seite Vertrauen. Vertrauen wiederum ist die Voraussetzung dafür, sich Öffnen zu wollen.
Kommunikation ist ein Wechselspiel. Vielschichtig und sehr viel tiefgründiger, als es uns auf den ersten Blick erscheint.
Die Kraft des Schweigens
Heute habe ich Freundschaften, in denen durch offene, authentische Kommunikation so viel Vertrauen entsteht, dass wir auch mal wunderbar miteinander schweigen können, ohne uns unbehaglich zu fühlen. Ganz ohne Worte.
In diesem Sinne
Eure Astrid
