Buli­mie Unplugged

von | 15.10.2024

Da ist es wie­der, ohne Vor­war­nung und von der Seite kom­mend. Bumm, etwas rem­pelt mich an und krallt sich unbarm­her­zig in mei­nen Gedan­ken fest. Es geschieht über­fall­ar­tig und ich weiß genau, ein­mal im Kopf ange­kom­men, werde ich keine Kon­trolle mehr haben über das, was gleich gesche­hen wird. Gier ent­steht, ein unwi­der­steh­li­ches Ver­lan­gen nach etwas Süßem. Weich und cre­mig sollte es sein. Bei dem Gedan­ken daran, fühle ich mich sanft umarmt und berührt. Gleich­zei­tig ist da ein inne­rer Druck, der mich umklam­mert und fest­hält. Ich fühle mich umringt von etwas, das ich nicht fas­sen, nicht grei­fen kann. Ein unför­mi­ges, wab­be­li­ges Etwas über­nimmt das Steuer – und genauso fühle ich mich – unför­mig, wab­be­lig und fremdgesteuert. 

Eine Stimme in mir ruft: lass es! du wirst wab­be­lig und fett blei­ben, wenn du so wei­ter frisst! – Aber du schaffst das ja eh nicht, auf­zu­hö­ren – Die Stimme wird här­ter und ich fühle mich gede­mü­tigt –mehr denn je.

Immer noch ist da diese Gier – ich kann sie ein­fach nicht stop­pen – nicht kon­trol­lie­ren – und ich fühle mich überwältigt.

Ich fange an, wahl­los Süßes in mich rein zu stop­fen – unkon­trol­liert und viel zu viel. Fresse, bis mir der Magen weh tut. Höre erst auf, wenn alles weg ist. – Ekel steigt in mir auf, Ekel vor mir selbst. Ich schäme mich so… Selbst­ach­tung – wo bist du? Und ich spüre Wut, unglaub­li­che Wut. Auf mich, ja – auf wen denn sonst? Ich bin es doch, die so unfä­hig ist, damit aufzuhören.

Raus, alles muss wie­der raus – sofort. Wenigs­tens das muss ich schaffen.

ICH DARF NICHT DICK WERDEN!

Nach dem Kot­zen ver­sinkt die Welt im Nebel. Alles wirkt dumpf um mich herum. Ich spüre nichts mehr. Wut, Trau­rig­keit, Hun­ger, Satt­ge­fühl – alles ver­schwimmt und bleibt im Dun­keln verborgen. 

Ich liege inner­lich auf dem Boden mei­ner selbst – bewege mich nur noch in Slow Motion.

Mor­gen, mor­gen höre ich damit auf!

Wenn ich mein Essen in den Griff bekomme, wird alles gut.

Es gibt kein Mor­gen – ich ste­cke fest im Heute.

Mut zur Offen­heit und die Kraft authen­ti­scher Gespräche

25 Jahre lang war die Buli­mie ein Teil mei­nes Lebens. Seit fast 20 Jah­ren bin ich befreit. Aus dem Teu­fels­kreis von Fres­sen und Kotzen.

Nach lan­ger Über­le­gung habe ich mich nun ent­schie­den, mit mei­ner eige­nen Geschichte in die Öffent­lich­keit zu gehen.

Es war ein Pro­zess. Die Frage – zeige ich mich oder nicht – hat mich sehr beschäf­tigt. Und dann war es tat­säch­lich soweit: An den Holi­stic Heal­ing Days bei Tha­la­mus in Stutt­gart, hatte ich die Mög­lich­keit, das erste Mal im Leben vor mir unbe­kann­ten Men­schen von mir zu erzählen.

Meine eigene Geschichte lädt ein zum Zuhö­ren und dar­über Spre­chen. Sie will Mut machen, einen ers­ten Schritt zu wagen, um den Teu­fels­kreis aus Fres­sen und Kot­zen zu durchbrechen.

Und wäh­rend ich hier schreibe, stehe ich wie­der vor der Frage: zeige ich mich noch ein­mal öffent­lich oder nicht? Im Moment möchte ich euch lie­ber von mei­nen Ein­drü­cken die­ser bedeut­sa­men 60 Minu­ten erzäh­len, in denen ich mutig war:

Nach anfäng­li­cher Auf­re­gung ist etwas Wun­der­ba­res pas­siert. Ein Raum ist ent­stan­den mit offe­nen, ehr­li­chen Gesprä­chen und sehr berüh­ren­den Momen­ten. Zu erle­ben, wie ich Men­schen errei­chen kann, indem ich ein­fach nur authen­tisch von mir erzähle und mich zeige, so wie ich bin, hat mich sehr bewegt. Mein eige­ner muti­ger Schritt nach vorne, ermu­tigt mein Gegenüber.

Eine der Teil­neh­me­rin­nen sagte abschlie­ßend als Feed­back: Wir kom­men nur wei­ter im Leben, wenn wir anfan­gen, offen und ehr­lich mit­ein­an­der zu reden.

Ich spüre Dank­bar­keit. Für diese wert­vol­len 60 Minu­ten, mit berei­chern­den Erfah­run­gen für uns als Gruppe.

Und genau so lasse ich es heute mal ste­hen. Die Ein­drü­cke wir­ken noch nach.

Eure Astrid

Astrid Banko
Astrid Banko
Heil­prak­ti­kerin für
Psy­cho­the­rapie

Text

buli­mie

ein ers­ter schritt

behut­sam eine öff­nung finden

ver­trauen ent­ste­hen lassen

den teu­fels­kreis einen spalt öffnen

zuhö­ren